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Three Trios
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Wäre es nach Peter Frei gegangen, gäbe es dieses Album nicht. Für Frei ist Bescheidenheit eine Zierde, sein Talent betrachtet er als Geschenk. Frei über Frei: «Während den Konzerten wache ich auf. Davor und danach bin ich sehr ruhig.»
Obwohl er seit über drei Jahrzehnten zu den herausragenden Kontra-bassisten des europäischen Jazz zählt, hat Peter Frei nie das Bedürfnis verspürt, ein Album unter eigenem Namen einzuspielen. Dass es jetzt doch dazu gekommen ist, verdanken wir der Initiative des Schlagzeugers Dominic Egli, der nachhaltig von Frei gefördert wurde (mit dem Trio des Pianisten Jean-Paul Brodbeck haben Frei und Egli zwei von der Kritik mit viel Lob bedachte Alben für das Label Universal aufgenommen).
Frei über Egli: «Am Anfang spielte er schüchtern und doch spürte man bereits sein enormes Talent.» Egli hält fest, dass er dank Frei mehr über Jazz gelernt habe, als an jeder institutionalisierten Musikschule (sie spielten nicht nur zusammen, sondern vertieften sich auch in das Studium historischer Aufnahmen). «Je mehr ich improvisierte Musik zu verstehen begann und mit Peter Frei gemeinsam in Projekte involviert war, desto grösser wurde meine Hochachtung vor seiner stupenden Technik, seinem musikalischen Horizont, seinem untrüglichen Rhythmusgefühl, seiner enormen Erfahrung, seiner zugleich intuitiven und komplexen Fähigkeit zur spontanen Interaktion und seiner Innovationskraft», meint Egli im Rückblick. Das vorliegende Album kann also auch als musikalische Liebeserklärung verstanden werden.
Die Geschichte des Jazz wird allzu oft als Heldengeschichte erzählt. Was bei einer Fokussierung auf prometheische Gestalten wie Armstrong, Parker oder Coltrane vergessen zu gehen droht, ist die Tatsache, dass der Jazz eine «community» (Gemeinschaft) braucht, um seiner Vitalität nicht verlustig zu gehen. Ein Jazzmusiker, der nicht in einer «community» aufgehoben ist, wird grösste Mühe haben, sich Gehör zu verschaffen; hätte z.B. Ornette Coleman nicht eine Reihe kongenialer Mitstreiter um sich geschart (Ed Blackwell, Don Cherry, Charlie Haden, Billy Higgins, Dewey Redman ...), würde sein Name heutzutage in den Annalen des Jazz wohl höchstens in einer Fussnote auftauchen.
Nun existiert die «jazz community» in ihrer ursprünglichen Form selbst in den USA nicht mehr. In gewisser Weise sind heutzutage die Jazzschulen ein Ersatz für sie. Wohl nicht zuletzt weil er die Defizite solcher Schulen aus nächster Nähe kennt (er gehörte 1980 zu den Mitbegründern der Jazzschule St. Gallen und unterrichtete von 1983 bis 2005 an der Swiss Jazz School in Bern), hat Peter Frei etliche junge Talente privat unter seine Fittiche genommen, um sie an das Geheimnis des Jazz heranzu-führen. So förderte er den Schlagzeuger Jojo Mayer ab dessem 10. Altersjahr und der Bassist Fabian Gisler kam mit 13 zum ersten Mal in den Genuss einer Frei’schen Lektion (dass Gisler also später optimal mit Egli harmonierte, war kein Zufall).
Frei veranstaltet auch Workshops, bei denen er das an den Jazzschulen weit verbreitete Problem des kleinsten gemeinsamen Nenners (eine Band ist nur so gut wie ihr schwächtes Mitglied) dank einer strengen Selektion der Teilnehmer vermeidet. Mit seiner Föderungspraxis schafft Frei ein wichtiges Gegengewicht zur fortschreitenden Akademisierung des Jazz: eine enorme Bereicherung für die schweizerische «jazz community».
Frei ist das beste Beispiel eines Musikers, der sein beeindruckendes
Handwerk nicht dazu nutzt, um einen perfekt inszenierten Zirkus zu
veranstalten, sondern um möglichst risikofreudig in den Fluss der Musik einzutauchen, so sagt er: «Es spielt keine Rolle, wenn mal etwas schief geht. Unzufrieden bin ich vielmehr, wenn ich auf Dinge zurückgreife, die ich geübt habe.» Für Egli ist Freis grösste Qualität das freie Gestalten eines harmonie- und tempobezogenen Songs.
Von daher erklärt sich auch die Konzeption des Albums: Drei Trios spielen je drei mehr oder weniger bekannte Stücke aus dem unerschöpflichen «Great American Songbook», wobei einige Songs von Frei leicht arrangiert wurden. «Wenn man einen solchen Song z.B. in einem ungeraden Metrum spielt, dann ändert sich dadurch nicht nur die Herangehensweise. Das Formgefühl wird gestärkt. Es war mir wichtig, dass die Musiker nicht ab Blatt, sondern auswendig spielten. Nur so kann man sich richtig in die Musik versenken», gibt Frei zu bedenken.
Bei der Auswahl der Mitmusiker ging es nicht darum, möglichst zugkräftige Namen ins Boot zu holen. Freis Wahl fiel auf junge Musiker, mit denen er bereits gute Erfahrungen gemacht hat, bei denen er also eine Offenheit für Überraschungen festgestellt hat, ohne das darunter das Formbewusstsein leiden würde. Der Pianist Colin Vallon schöpft aus der Instrospektion Kraft für improvisierte Exkurse, hinter deren Lyrismus stets ein leidenschaftliches Feuer lodert. Michael Zisman spielt das Bandoneon mit der für dieses «Sehnsuchtsinstrument» so typischen Mischung aus Euphorie und Melancholie. Dem Tenorsaxofonisten Rafael Schilt gelingt das Kunststück, hymnische Kraft und lakonische Prägnanz unter einen Hut zu bringen.
PS: Peter Frei hat explizit gewünscht, auf ein exzessives «name dropping» zu verzichten: ein begrüssenswerter Wunsch, denn erstens gibt es tatsächlich kaum etwas Bemühenderes, als «liner notes», die zum grössten Teil aus einer Litanei von Namen bestehen, und zweitens ist die Liste der Musiker, mit denen Frei im Laufe seiner Karriere gespielt hat, derart lang, dass eine vollständige Aufzählung den Rahmen sprengen würde (sie reicht von Swing-Musikern wie Harry «Sweets» Edison über Bopper wie Johnny Griffin bis zu einem unberechenbaren Modernisten wie Art Lande; wichtige Bands, in denen Frei mitwirkte, waren Magog, Billie Brook's Freebop und das Jazz Live Trio, das in Produktionen des Schweizer Radios zahlreiche Gäste begleitete ...)
Tom Gsteiger
mehr Info: www.dominicegli.ch/peterfrei